HIFI-ENTWICKLER
Der Schatz
des
N ibelungen
In Duisburg am Rhein baut Rolf Gem ein seit mehr als 30 Jahren
die „Sym phonie Line"-Geräte. Dafür hat er seine Lieblingsteile
und mittlerweile einen wahren Schatz von ihnen angesam m elt
Z
wei kleine Souterrainwohnungen in
einem Häuserblock sind Sympho-
nie Lines Residenz. Die ist mit Ge-
räten, Kartons, aber nur wenigen und zum
Teil antiquierten Messgeräten vollgestellt.
Dazu kommt ein kleines Büro. Alles ist
einfach, schlicht und zweckmäßig. W ir
sind in Duisburg. Hier wird nicht reprä-
sentiert, sondern malocht. Aber uns liegt
ohnehin nichts an schönen Fassaden. W ir
wollen wissen, was dahintersteckt.
Da müssten wir doch eigentlich an der
richtigen Adresse sein. Schließlich gelten
die Amps von Symphonie Line als beson-
ders klangstark und ausgereift. STF.REO-
Tests bestätigen dies im -
mer wieder. Die Vollver-
stärker RG 9 und R G 14 et-
wa sind - nach den neues-
ten Erkenntnissen „upge-
datet“ - seit Jahren treue
Arbeitsgeräte und aus unserem Testbe-
trieb nicht mehr wegzudenken.
Da hätten wir uns einen größeren Mess-
gerätepark vorgestellt: Symphonie Line als
Labor mit angeschlossener Werkbank.
Rolf Gemein erklärt: „Natürlich soll man
auf Frequenzen, Verzerrungen und Dezi-
bel achten. Aber das sagt absolut nichts
darüber aus, wie letztlich die Musik im
Raum steht. Ist die Tiefenstaffelung kor-
rekt, sind die Klangfarben da, bleibt der
Rhythmus gewahrt, der Körper fassbar?
Das sind die wichtigen Fragen.“
Der sympathische Rheinländer kommt
von der anderen Seite: „Technik ist kein
Selbstzweck, sondern dient den musikali-
schen Aspekten.“ Ist ein Mitarbeiter stolz
auf eine clevere Schaltung, muss diese
häufig verworfen werden, weil sie viel
leicht ein kleines Grundtonloch erzeugt
oder das Tim ing aus dem Tritt bringt. Der
Übergang von der Technik zu den Tönen,
Rolf Gemein mit einem Teil seines Schatzes: den
alten Polypropylen-Kondensatoren von Siemens
der Grenzbereich zwischen der Kons-
truktion und dem Erlebnis ist das Reich,
in dem „Selfmademan“ Gemein arbeitet
und wo er sich genau auskennt.
„Was nützen die besten Daten, wenn
Fritz Wunderlich beim Übergang von den
oberen zu den tiefen Lagen inkohärent er-
scheint oder die Klangfarben einer Stra-
divari nicht stimmen?“, fragt der D uis-
burger rhetorisch. Dabei gehört Gemein,
der heuer 60 wird, keineswegs zur Grup-
pe der Messwertverächter. Er achtet peni-
bel darauf, dass seine Produkte „sauber“
sind. Doch zu einer richtig klingenden
Komponente komme man allein so nicht.
Aber, wie dann? „Tja“, zögert Gemein
und denkt in sich hinein: „Jedes Gerät ist
eine Apparatur mit vielen Stellhebeln. Da
sind die Bauteile, die Spannungen, die
Masseführung und andere Parameter -
ein sehr komplexes System, in dem für op-
timales Funktionieren alles abgewogen
sein und ineinandergreifen muss.“ Ein
Beispiel, bitte! „Wenn man mit einem
Transistor-Amp Töne wie aus dem Nichts
erzeugen will, die plötzlich und ansatzlos
im Raum stehen, dann muss dessen obe-
re Grenzfrequenz zwischen 100 und 200
Kilohertz liegen. Bleibt sie darunter, hört
man das Einschwingen, vielleicht nicht be-
wusst, doch die Live-lllusion ist zerstört.
Macht man den Verstärker dagegen zu
schnell, so dass er bis in den Megahertz-
bereich hinaufreicht, wird oft der Grund-
ton von den Uberwellen überlagert, was
analytisch und künstlich klingt.“ Den A n -
satz, Schaltungen möglichst breitbandig
zu
machen,
hält Gemein
für „völlig
falsch“. Viele Hersteller bauten ihr Klang-
bild vom Hochtonbereich nach unten auf,
» T e c h n i k i s t k e i n S e l b s t z w e c k ,
s i e m u s s d e r M
u s i k d i e n e n «
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